Inhaltliche Methodik:
Der Zweck dieses Atlas besteht darin, historische, wirtschaftliche, sozialtopografische und geografische Daten für
- die interessierte Öffentlichkeit,
- die Forschung, und
- städtische Dienststellen (als Planungshilfen bei der Vorbereitung städtebaulicher Projekte)
zur Verfügung zu stellen. Dabei steht die reine Visualisierung von Forschungsergebnissen aber nicht im Vordergrund.
Der Stadtatlas dient vielmehr auch selbst als wichtiges Werkzeug zur Erschließung neuer Erkenntnisse. Denn nur mittels kartographischer Darstellungen kann man verschiedene Stadtteile und ihre unterschiedlichen historischen Entwicklungsprozesse miteinander vergleichen.
So bietet die Überlagerung von Kartenebenen unterschiedlicher Zeitschichten die Möglichkeit, Fragestellungen individuell zu visualisieren und zu analysieren. Der Stadtatlas dient somit als Grundlage weitergehender Forschungen zur städtischen Entwicklung. Erst durch die kartographische Darstellung historischer, architektonischer, wirtschaftlicher und städtebaulicher Informationen wird die Verteilung bestimmter Phänomene im Raum sichtbar, die dann interpretiert und analysiert werden können. Damit wird die Karte zum zentralen Instrument für den Erwerb zusätzlichen Wissens.
In methodischer Hinsicht basiert „Luxatlas“ auf Leitlinien, die von der Internationalen Kommission für Städtegeschichte beschlossen und zuletzt 2013 erweitert wurden. Auf dieser Grundlage wurden bisher bereits mehr als 500 Städte in ganz Europa bearbeitet (die allermeisten in Form gedruckter, großformatigen Mappen).
Konkret bedeutet dies, dass die Karten eines historischen Stadtatlas durch zugehörige Texte ergänzt werden. Im Luxatlas werden überwiegend knappe, inhaltlich verdichtete Texte publiziert, um die Lesbarkeit am Bildschirm zu erleichtern. Zusammen mit dem zugehörigen Bildmaterial sind diese mit den entsprechenden Gebäudestrukturen auf der Karte verknüpft. Per Mausklick werden zunächst die Basisinformationen eines Gebäudes oder einer räumlichen Struktur (z.B. Festungsmauer, Straße, Friedhof etc.) hervorgehoben. Ein zusätzliches Fenster kann auf einen weiteren Mausklick hin geöffnet werden. Es liefert dann detailliertere historische Informationen in Verbindung mit zusätzlichem Bildmaterial und Literatur- und Quellenhinweisen.
Technische Methodik:
Die Vorbereitung und Aufbereitung der historischen Daten erfolgte zunächst durch die Digitalisierung und Georeferenzierung der analogen Ausgangskarten. Sie wurden mit mindestens 300dpi eingescannt und im TIF-Format verlustfrei abgespeichert. Dann wurden diese Rasterkarten in einen geographischen Bezugsraum referenziert, und zwar in die metrische Projektion ‚Luxembourg 1930 / Gauss‘ (EPSG: 2169). Die Georeferenzierung erfolgte zunächst mit einer Helmert Transformation, welche in einem zweiten Schritt durch eine ‚Thin Plate Spline / Projective‘ Transformation optimiert wurde. Je nach Kartenblatt galt es, eine unterschiedliche Anzahl an Referenzpunkten zu definieren und zu plazieren. Diese wurden homogen und gleich verteilt über den eigentlichen Inhalt des Kartenblattes gelegt und mittels Referenzstrukturen der gegenwärtigen Welt (Topographische Karten, Orthofotos) abgeglichen. Um Referenzpunkte (Ankerstrukturen) in der „Vergangenheit“ älterer Karten zu erzeugen, wurden zunächst die Inselkatasterblätter von 1962 referenziert, zugeschnitten und anschließend zu einem flächendeckenden Rasterdatensatz mosaikiert, d.h. zusammengeschnitten. Insgesamt wurden auf diese Art 49 Katasterblätter mittels +-7000 Referenzpunkten in den zuvor definierten Raum gebracht. Auf dieser Grundlage konnten nun weitere, zeitlich zurückliegende Kartenblätter sukzessive referenziert, zugeschnitten und mosaikiert werden bis hin zu den Urkatasterblättern, die ca. zwischen 1820 und 1825 erstellt wurden und bis ca. 1850/1852 in Gebrauch waren. Bei diesen wurden insgesamt 43 Kartenblätter mit Hilfe von +- 3000 Referenzpunkten in den oben beschriebenen und definierten Raum gebracht. Die gemittelte Positionsgenauigkeit (Mean RMS error) aller Kartenblätter für den gesamten Untersuchungsraum, d.h. das Gebiet der Stadt Luxemburg in seiner aktuellen Ausdehnung, erzielte letztendlich eine Abweichung von weniger als 10m. Ein ausgesprochen zufriedenstellender Wert, wenn man bedenkt, dass die verwendeten historischen Karten recht beträchtliche Ungenauigkeiten (Z.b. Verzerrungen, Blattfaltungen, Schmutz, Löcher, etc.) aufwiesen. Diese fielen beim Prozess der Angleichung in den für alle Zeitschnitte gleichermaßen gültigen Referenzraum natürlich besonders ins Gewicht. Nur durch die extrem aufwändige, sukzessive Georeferenzierung mittels insgesamt weit mehr als 10.000 Referenzpunkten war es überhaupt möglich, die Karten virtuell und möglichst passgenau übereinanderzulegen. Dies war als Grundlage für den digitalen, interaktiven Stadtatlas unumgänglich.
Aufbauend auf diesen referenzierten, historischen Kartenblättern konnte dann in einem zweiten Schritt der eigentliche Karteninhalt greifbar gemacht werden, indem die enthaltenen historischen Strukturen (Z.b. Gebäude, Infrastruktur) digitalisiert, sprich vektorisiert wurden. Als Grundlage hierfür wurde der Gebäudelayer von der Stadt Luxemburg (http://www.topographie.lu) herangezogen, der für den Zeitpunkt 2017 mit Hilfe von Orthofotos adaptiert wurde. Auf dieser Grundlage konnten nun sukzessive und vergleichend die Gebäude der älteren Karten zugeschnitten, ergänzt, gelöscht oder neu vektorisiert werden. Mittels eindeutig zugehöriger Idenfikationsnummern und Attribuierungen können diese historischen Veränderungen nachvollzogen werden. So reduzierte sich der Gebäudebestand im Untersuchungsraum von ursprünglich 24955 Gebäuden im Jahre 2017 auf nur noch 3718 Gebäude in den 1850/52 Jahren. Praktisch die gleiche Vorgehensweise wurde für die Bearbeitung der Infrastruktur angewandt; hier diente das Straßennetz der Topgraphischen Karte (BD-L-TC, version 2008) als Grundlage. Nachdem von diesem Referenzrahmen ausgehend, weiter zurückliegende Zeitschnitte zugeschnitten, ergänzt, gelöscht oder neu vektorisiert worden waren, galt es abschließend noch, die Linienstrukturen je nach Straßentyp unterschiedlich zu puffern.
In einem letzten Schritt der Datenaufbereitung wurden schließlich die gegebenen Strukturen für die unterschiedlichen Zeitschnitte thematisch kategorisiert und visualisiert. Je nach zur Verfügung stehenden historischen Informationsinhalt wurden erläuternden Texten und Bildern in eine Datenbank integriert und mit den jeweiligen Strukturen verknüpft.
Martin Uhrmacher, Steve Kass